Bonus
Und führe uns nicht in
Versuchung
Die Versuchung ist eine der wichtigsten Triebkräfte in einem Leben. Ohne Versuchung kein wirklicher Fortschritt, ohne Versuchung kein Erkenntnisgewinn. So behaupten nicht wenige.
Eine Versuchung hat immer mit einer Suche zu tun. Wer auf der Suche ist, fragt auch nach dem Warum. Dabei kann es vorkommen, dass ein Versucher dem Versuchten die Warum- Fragen geradezu aufzwingt. Die Frage, ob mir Gerechtigkeit widerfährt und warum es in der Welt so zugeht, wie es zugeht, ist so eine versuchende Versucher -Frage.
Es war ein Mann im Lande Uz, und der hieß Hiob. Der war fromm und gottesfürchtig, und dem widerfuhr alles Elend, das man sich nur vorstellen kann: Er verliert sein ganzes Vermögen und seine Kinder. Er fragt aber nicht, warum! Sondern sagt: Gott wird wissen, was er tut. Gott kann geben, Gott kann nehmen. An Gott habe ich mich gebunden. Meine Treue zu ihm ist über jede Anfechtung erhaben. Ich bin treu, weil ich nicht im mindesten daran zweifele, dass auch mir Gott im letzten die Treue hält. Das Leben ist kein Freifahrtsschein ins Glück, aber auch keiner ins Unglück. Alles ist veränderlich, nichts bleibt, wie es ist. Alle Äußerlichkeiten des Lebens sind gefährdet und können angetastet werden. Davor bewahrt mich auch keine Gottesbeziehung. Hiob lobte Gott sogar in seinem Elend und hielt seinem Gott unter allen Umständen die Treue.
Die Versuchung durch Hiobs Frau
Da kam seine Frau und träufelte ihm einen Gedanken ins Herz, der schlimmer war als aller Schmerz über die Verluste, die er hatte hinnehmen müssen. Gott, sagt sie, hat dir die Treue gebrochen. Anders ist dein Schicksal doch nicht zu begreifen. Wenn du jetzt noch weiter an ihm festhältst, bist du nichts mehr als eine lächerliche Figur, ein Feigling. Du siehst die Wahrheit, aber du stellst dich ihr nicht. Kündige also auch du deinem Gott die Treue und such dir einen neuen, der es besser mit dir meint. Oder wenn du das nicht willst, dann sei wenigstens so mutig und stirb! Wirf deinem Gott dann auch dein Leben vor die Füße.
Das ist der schlimmste Augenblick in einem Leben, wenn uns die Versuchung ins Herz träufelt, wenn wir plötzlich alles in Frage stellen, alles mit einem Mal misstrauisch beäugen, wenn wir hinter allem und jedem einen fiesen Plan vermuten, ausgedacht von finsteren Mächten und Gestalten, um uns endgültig fertig zu machen. Das ist die hohe Stunde der Versuchung, wenn wir alles stehen und liegen lassen, weil uns mal was nicht passt oder weil uns das Leben einiges abfordert. Wie leicht sind wir dann doch bereit, allem, was uns wert und wichtig war, die Treue zu brechen. Wie leicht erliegen wir dann der Versuchung und werfen uns fremden Göttern in die Arme, den schnellen Heilsbringern und Großsprechern, oder geben auf, achten uns und unser Leben nicht mehr, werfen uns und unser Leben weg.
Gott hält Treue ewiglich, sagt die Heilige Schrift, das ist doch unser Glaube. Mit ihm könnten wir jeder Versuchung standhalten. Mit ihm ließ sich unser Schicksal zwar nicht schmerzfrei ertragen, aber immerhin ertragen. Mit ihm stürbe auch die Hoffnung nicht, dass das Übel in meinem Leben eben nicht das letzte Wort haben wird.
Hiob blieb Gott treu und widerstand dieser Versuchung. Von seiner Frau ist fortan nicht mehr die Rede, aber eine andere Versuchung ist schon auf dem Weg zu ihm. Er wird Besuch von Freunden bekommen, und die haben noch ein ganz anderes "Gift" parat.
Es war ein Mann im Lande Uz, und der hieß Hiob. Der hatte alles verloren: Geld und Gut, seine Kinder, seine Gesundheit und die Liebe und Achtung seiner Frau. Aber er hatte noch Freunde. Gute Freunde. Die hörten von seinem Elend.
Sofort verließen sie Haus und Hof und machten sich zu ihm auf den Weg. Als sie endlich ankamen, setzten sie sich zu Hiob und hielten den Mund. Sieben Tage lang. Wäre es dabei geblieben! Wäre unsere Hiobsgeschichte mit diesem wunderbaren Trostbild zu Ende, aber leider: die Freunde fangen an zu reden. Und die Vorwürfe an Hiob sind brutal!
Du glaubst doch nur, dass Du fromm, rechtschaffen und treu bist. Du musst Dreck am Stecken haben. Die Freunde stellen plötzlich Warum- Fragen. Warum geht´ s den Guten schlecht und den Schlechten gut? Warum lässt Gott das Elend zu? Und, sie geben auch gleich die Antwort, eine gefährliche Antwort. Sie ist gefährlich, weil sie so einfach, so plausibel klingt. Die Antwort auf die Frage nach dem Warum heißt: Darum! Heißt: Es gibt einen Grund! Anders gesagt: Die Antwort auf die Frage nach dem Grund deines Elends liegt darin, dass es einen Grund dafür gibt. Wenn du glaubst, du bist fromm und rechtschaffen und hättest dir Gottes Wohlwollen verdient und du sitzt plötzlich im Dreck, dann hast du dich geirrt über deine Frömmigkeit und deine Rechtschaffenheit. Wenn Gott dich so sichtbar straft, hast du Strafe verdient. Jeder bekommt, was er verdient. Es wird Flecke auf deiner angeblich so weißen Weste geben. Vor uns und den anderen Menschen wirst du deine kleinen oder größeren Schlechtigkeiten verstecken können, vielleicht sogar vor dir selber. Aber vor Gott kannst du dich nicht verstecken. Da kannst du nichts verstecken. Gott hat da etwas gefunden und jetzt kriegst du die Rechnung serviert.
Hiob ist am Ende. Seine Freunde greifen ja nicht nur ihn an. Sie bringen sogar Gott gegen ihn in Stellung, den Gott, dem er die Treue halten will. Den, um den er kämpft, auch jetzt noch. Deshalb hält Hiob daran fest: Ich bin unschuldig, ich bleibe dabei, auch wenn es mein Leben kostet. So weit haben die Freunde Hiob gebracht. Ihr Denken ist so schrecklich menschlich. Hiob muss Dreck am Stecken haben und Gott ist so jemand, der das unnachgiebig bestraft. Früher oder später. Was für ein furchtbares Gottesbild! So als gäbe es eine Art Vertrag zwischen Gott und uns. Wer sich unterwirft, gehorsam und treu ergeben ist, den belohnt Gott, so als hätte der unsere Unterwerfung, unseren Gehorsam, unsere Treue nötig. Und brechen wir den Vertrag, dann bestraft uns Gott.
Auch heute wollen wir mit Gott eine Art Handel abschließen: Gott mache mich gesund, ich werde brav in die Kirche gehen, Gott, ich habe so und so viel gebetet, jetzt musst du mir meinen Wunsch erfüllen. Und wie enttäuscht, verbittert, ja verärgert können wir sein, wenn Gott auf unseren Handel nicht eingeht, wenn er sich nicht zum billigen Erfüllungsgehilfen unserer Bedürfnisse machen lässt. Gott gibt aus freien Stücken seine Liebe, seine Treue, wie wir aus freien Stücken Gott unsere Liebe, unsere Treue geben können, nicht, weil wir etwas voneinander wollen.
Das Verhältnis Gott – Mensch entspricht eben nicht dem von Warum – Darum. Hiob ist entsetzt und erschüttert, dass sogar seine Freunde glauben, seine Gottestreue beruhe auf einem schäbigen Handel mit Gott. So, von allen verlassen, wundgescheuert von den Nackenschlägen, noch mehr von den Versuchen, ihn von seiner Treue und Liebe zu entfremden, wendet er sich an den, dem seine Treue und Liebe gilt. Und Gott antwortet ihm.
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